Der 20. Januar – ein entscheidender Tag.
Am 20. Januar 2014 wurde die entscheidende Phase der Forschungsmission der Raumsonde Rosetta (gebaut von EADS Astrium in Friedrichshafen) im wahrsten Sinne „eingeläutet“. Nach fast dreijährigem „Tiefschlaf“ sollte die Sonde ihren Dienst wieder aufnehmen und mit einer einmaligen Aktion im November 2014 krönen. Gestartet war sie übrigens vor fast zehn Jahren am 2. März 2004.
Warum diese lange Anflugzeit? Im Gegensatz zu unserem Bild aus Science Fiction-Romanen oder -Filmen ist es (uns) nicht ohne weiteres möglich, auf geradem Weg zu einem anderen Himmelskörper zu fliegen. Erstens kreist ein jedes Objekt im Sonnensystem mit einer bestimmten Geschwindigkeit um die Sonne – die Erde mit rund 30 km pro Sekunde. Die Dinge stehen da also nicht einfach so rum und warten darauf, angeflogen zu werden wie etwa Die Freiheitsstatue in New York. Nein, man muss sich – will man mit ihnen mitfliegen – in Richtung und Geschwindigkeit anpassen, sozusagen von hinten heranfliegen. Hätte man Treibstoff und Triebwerke wie Captain Piccard, wäre Hinflug, Abbremsen und Angleichen kein Problem. Die Wirklichkeit sieht aber leider so aus, dass wir schon Schwierigkeiten haben, das Schwerkraftfeld der Erde zu überwinden und weiter hinaus zu kommen in den offenen Raum.
So bedienen sich die Missionsplaner einiger Tricks: indem sie die Sonde zunächst in einen Orbit ähnlich dem der Erde schießen und die Flugbahn so berechnen, dass sie ein, zwei sogar drei Mal an der Erde und noch ein Mal am Mars vorbeifliegt und dabei jedes Mal „ein Stück mitgerissen und weitergeschleudert“ wird, erhält sie den nötigen Schwung und auch die korrekte Flugbahn, um sich dieses Jahr dem Kometen auf nahezu identischer Bahn anzunähern.
Animation des Missionsverlaufs vom Start über verschiedene Swing-Bys hin zum Kometen.
Was hat es mit dem Tiefschlaf, was mit der Mission selber auf sich?
Rosetta hatte die letzten 957 Tage, also zwei Jahre und sieben Monate, in einem Energiesparmodus verbracht, da sich die Sonde in dieser Zeit sehr weit von der Sonne entfernt in einem Orbit befand. Die größte Entfernung der Flugbahn von der Sonne – zwischen Asteroidengürtel und Jupiterumlaufbahn – betrug ca. 5 AE (Astronomische Einheiten à 149,6 Mio km) – dort ist die Intensität der Strahlung noch 1/16 derer auf der Erde. Da Rosetta aber keine andere Stromversorgung für das Gesamtsystem mit an Bord hat, wurde sie zwischenzeitlich in einen kontrolliert eingeleiteten Stand-By-Modus versetzt. Nur eine Notheizung hielt die Sonde auf einer Betriebstemperatur, bei der die Instrumente keinen Schaden nehmen würden und ein dreifach redundanter Wecker war auf eben diesen 20. Januar 2014 gestellt worden. Die Sonde wurde zur Lagestabilisierung noch in eine langsame Rotation versetzt und dann ging’s ab in die Heia.
Weckruf
Doch nun, zu der voreingestellten Zeit des Weckens, wurde es vor allem für die Missionsplaner und Wissenschaftler, deren Experimente und Instrumente sich an Bord der Raumsonde befinden, extrem spannend! Es ist immerhin nicht selbstverständlich, dass der Weckvorgang und das stufenweise Wiederhochfahren der Systeme einwandfrei funktioniert. Die Sonde musste sich außerdem erst einmal im Raum orientieren, um auch die Richtung zur Erde zu kennen und daraufhin ein zartes, dünnes Funksignal zur Erde senden, dass sie wieder „auf Sendung“ ist.
Und Rosetta machte es wirklich spannend! Der interne Wecker sollte die Sonde um 10 Uhr MEZ aus dem Standby holen. Es wurde dann mit ca. 8 Stunden Zeit zum Hochfahren der Systeme gerechnet, bevor die Sonde dann ihr ’Okay, ich bin wieder online!’ an die Erde schicken würde. Die Entfernung zwischen Erde und Rosetta betrug zu dieser Zeit rund 800 Millionen Kilometer. Damit war das Funksignal noch etwa eine dreiviertel Stunde bis zu den angespannt lauschenden Antennenschüseln unterwegs. So rechnete man also gegen 18.45 Uhr mit einem Signal aus den Tiefen des Alls. Einzig: es kam kein Funkspruch… Lange, bange Minuten starrten all die Missionsbeteiligten auf die Bildschirme, wurden ruhiger und ruhiger.
Doch zu guter Letzt – gegen 19.15 Uhr: der sehnlichst ersehnte Peak im Funkrauschen ließ sich endlich auf den Monitoren blicken! Erwachsene Männer lagen sich jubelnd und mit feuchten Augen gegenseitig in den Armen. Alles schien in Ordnung zu sein und nach Plan zu laufen. Im Laufe des nächsten Tages liefen auch die Telemetriedaten ein, die diese Hoffnungen mit harten Zahlen belegen konnten!
Was möchte die Mission erreichen?
Ziel der Mission ist die Erforschung des Kometen „67P/Churyumov-Gerasimenko“, der die Sonne mit einer Umlaufzeit von 6 Jahren und 203 Tagen umkreist. Natürlich gibt es viele Quellen zum Thema und ich kann an dieser Stelle kein Gesamtbild abgeben.
Doch warum unternimmt man all diese Anstrengungen auf sich, nur um einen Eis- und Felsklumpen von ca. 5 x 3 Kilometern zu besuchen, der sich in 12 Stunden um sich selber dreht? Wozu das Investitionsvolumen von gut 1 Milliarden Euro? Es geht um die Erforschung der Überbleibsel der Planetenentstehung. Kometen sind seit Beginn der Zusammenballung von Gas zu Staub, von Staub zu Krümeln und schließlich zu Felsbrocken und Planeten nahezu unverändert geblieben, weil sie sich nie haben zu Planeten zusammenfinden können und weil sie der Sonne nicht so nah kamen. Sie zeigen den Urzustand der festen Materie im Sonnensystem. Der Name „Rosetta“ ist natürlich nicht zufällig gewählt sondern bezieht sich auf den Stein von Rosetta, mit dessen Hilfe die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen gelang. Der Name des Landers Philae gründet auf einen Obelisken auf einer Insel im Nil, dessen Aufschriften bei der Entzifferung hilfreich waren. Die Mission Rosetta soll also das Geheimnis lüften, wie das Sonnensystem während seiner Entstehung beschaffen war.
Kometen bestehen hauptsächlich aus Gestein und Eis. Wassereis aber auch Gase wie Methan, Ammoniak und Kohlendioxid im festen Aggregatzustand. Der Anteil dieser Eise ist höher als beispielsweise bei den Asteroiden. Das liegt daran, dass Kometen ursprünglich in den weit außen liegenden Bereichen des Sonnensystems beheimatet sind, etwa im Kuipergürtel, der in der Region des Zwergplaneten Pluto beginnt und weit hinausreicht. Das dort umherfliegende Material hat sich nicht zu größeren Planeten zusammenfinden können und liegt daher weitgehend in dem Zustand vor, wie er zu Beginn der Bildung des Sonnensystems in der die Protosonne umgebenden Scheibe geherrscht hat. Zusammenstöße größerer Brocken und gravitative Einflüsse der großen äußeren Planeten können dazu führen, dass immer wieder solche „schmutzigen Schneebälle“ in das innere Sonnensystem abgelenkt werden. Diese Vagabunden finden sich – wenn sie nicht von Jupiter oder einem anderen Planeten eingesammelt werden – dann als mittelperiodische Kometen im Sonnensystem wieder.
Das Besondere an diesen Kometen aber ist, dass sie nach gängiger Lehrmeinung für die Wasservorräte auf unserer Erde verantwortlich sind und – auch ein sehr interessanter, wenn auch spekulativer Aspekt – eventuell die ersten biologischen Bausteine auf die Erde gebracht haben mögen, Proteine und Aminosäuren, die in ihrem Inneren in Ruhe haben entstehen können. Warum musste das Wasser auf die Erde (natürlich entsprechend auch auf Venus und Mars) gebracht werden? Wahrscheinlich waren ganz ursprünglich durchaus genügende Mengen an notwendigen Bausteinen – Wasserstoff und Sauerstoff – für die Bildung von Wasser vorhanden, diese wurden aber während der heißen Phase der Erde größtenteils ins All verdampft. Erst als sich die Erdoberfläche genügend abgekühlt hatte, konnte das Wasser festgehalten werden, das eben von den damals noch zahlreich auf sie nieder prasselnden Kometen und Asteroiden nachträglich eingebracht wurde.
Die Raumsonde Rosetta wird im August in einen Orbit um den Kometen einschwenken – ein kompliziertes Manöver unter Berücksichtigung der möglicherweise bereits austretenden Gase und Gesteinsbröckel. Dann wird unter anderem genau hingeguckt, wie sich die Oberfläche des Kometen aus der Nähe so darstellt, denn es soll für die Landeeinheit „Philae“ ja ein sicheres Terrain ausgesucht werden. Dieser Lander wird dann im November 2014 langsam zur Oberfläche des Kometen hinabsinken und so vorsichtig wie möglich aufsetzen. Da aufgrund der geringen Schwerkraft des Felsbrockens auf die 100 kg Masse von Philae nur eine Gewichtskraft von ca. 0,4 Newton wirkt (entsprechend 4 g auf der Erde), werden zwei „Harpunenanker“ in den Untergrund geschossen, mit deren Hilfe die Sonde fixiert wird. Das alles ist ein ziemlich kniffliges Unterfangen, das außerdem automatisch, also vorprogrammiert ablaufen muss, da die Signallaufzeit von der Erde dann etwa 30 Minuten pro Richtung betragen wird.
Weitere Informationen zu –> Rosetta
Philae hat ebenfalls zahlreiche Instrumente an Bord, die die Zusammensetzung des Gesteins und Eises genau untersuchen sollen und auch nach den erwähnten organischen Molekülen Ausschau halten. Der genaue Aufbau der vermuteten Aminosäuren ließe dann Rückschlüsse darauf zu, ob Kometen tatsächlich zur Saat des Lebens auf der Erde beigetragen haben könnten. Genauso kann man aus der Isotopenverteilung des Kometeneises schließen, ob diese mit dem hier anzutreffenden Wasser übereinstimmt – oder eben nicht.
Weitere Informationen zu –> Philae
Zwischen August 2014 und dem nominalen Ender der Mission ein Jahr später wird die Mission Rosetta sich mit dem Kometen gemeinsam der Sonne nähern und dabei ständig um den Kometenkern kreisen, während dieser im Einfluss des Sonnenwindes allmählich immer aktiver werden wird und Gas und Staub, vielleicht größere Kiesel und Steine von seiner Oberfläche ins bläst. Gas und feine Staubteilchen werden den bekannten Kometenschweif bilden, der im Licht der Sonne strahlt. Allerdings ist Churyumov-Gerasimenko kein besonders auffälliger Komet und wird wohl nicht mit bloßem Auge sichtbar sein. Sein Perihel, die größte Annäherung an die Sonne, liegt bei knapp 1,3 AE, also noch außerhalb der Erdbahn.
Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf die Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen und die Bilder, die wir zum allerersten Mal direkt von einem Kometen erhalten werden!
Linktipps
Die Homepage der ESA (European Space Agency) zum Thema Rosetta und daran angeschlossen ein eigener Blog.
Immer eine gute Anlaufstelle für Informationen über astronomische Themen (und darüber hinaus): Astrodicticum Simplex von Florian Freistetter, hier zum Thema „Wake up, Rosetta“
Einen guten Einblick in die Mission gibt der Podcast der DLR und ESA namens Raumzeit, Folge 20, „Giotto und Rosetta“.
Auch bei Twitter kann man sich über die Mission auf dem Laufenden halten: @ESA_Rosetta
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